(31. März 2015)
Im Zusammenhang mit dem Absturz von Germanwings-Flug 4U 9525 ist eine Diskussion darüber entbrannt, ob die ärztliche Schweigepflicht gelockert werden soll. Anlass sind Ermittlungsergebnisse, nach denen der Co-Pilot, der mutmaßlich den Absturz willentlich verursacht haben soll, vor einigen Jahren aufgrund von Suizidgefahr in ärztlicher Behandlung war.
Die ärztliche Schweigepflicht
Erst dadurch, dass der Patient der Verschwiegenheit des Arztes vertraut, entsteht ein Schutzraum, in dem er sensible Dinge preisgeben kann. Bei psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungen ist dies von besonders großer Bedeutung.
Die Schweigepflicht ist ein hohes Rechtsgut. Die durch den Patienten nicht genehmigte Preisgabe von Informationen an Dritte wird nach § 203 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet. Die Schweigepflicht gilt über den Tod hinaus, auch Angehörigen gegenüber.
Ausnahme ist, wenn der Patient nicht über die notwendige Einsichts- und Urteilsfähigkeit verfügt. Im Normallfall wird diese aber schon beim 15-jährigen angenommen.
Und wenn jemand aufgrund einer Erkrankung sich oder andere erheblich gefährdet?
In diesem Fall erlauben bereits die bestehenden Gesetze, die Schweigepflicht zu brechen. Beispiel: Ein Busfahrer leidet unter Epilepsie. Anfälle während der Fahrt würden die Fahrgäste in Gefahr bringen. In diesem Fall würde der behandelnde Arzt zunächst den Busfahrer dazu bewegen, nicht mehr Bus zu fahren. Wenn dies nicht gelingen würde, so dürfte der Arzt die zuständigen Behörden informieren. Dies nennt man “rechtfertigender Notstand” (§ 34 StGB).
Ein anderer Grund wäre, dass ein Patient dem Arzt sagt, dass er eine schwere Straftat plant (z. B. sich und andere mit einem Flugzeug in den Tod zu stürzen). Dann müsste der Arzt nach geltendem Recht sogar die Behörden informieren, um das zu verhindern. Wie jeder andere ist auch der Arzt nach § 138 StGB dazu verpflichtet, eine geplante schwere Straftat anzuzeigen.
Wenn ein Patient dem Arzt dagegen sagt, dass er eine schwere Straftat begangen hat, so ist der Arzt uneingeschränkt an die Schweigepflicht gebunden, darf also niemanden darüber informieren.
Wenn die Schweigepflicht gelockert würde, so müsste ein Patient befürchten, dass sein Arzt bereits die Behörden über seine Erkrankung informiert, wenn nur die vage Möglichkeit besteht, dass er andere gefährdet. Viele würden dann dem Arzt wichtige Informationen verschweigen. Für die Behandlung wäre das denkbar schlecht.